Adolf Spieß - Vater des Schulturnens
Geboren: 03. Februar 1810
Verstorben: 09. Mai 1858
Ruhestätte: Alter Friedhof Darmstadt, Grab II K 43
Adolf Spieß wurde 1810 als Sohn des Lehrers und Pfarrers Johann Balthasar Spieß und dessen Gattin Maria Luise in Lauterbach (Oberhessen) geboren. Schon in jungen Jahren begeisterte er sich für Leibesübungen, die - unüblich für die Zeit - auch auf dem Lehrplan standen, den sein Vater als Schulleiter zu verantworten hatte.
Von 1828 bis 1832 studierte Spieß evangelische Theologie in Gießen, zwischenzeitlich (1829/30) auch in Halle. Sein Interesse galt jedoch vornehmlich dem Turnen.
Sowohl in Gießen als auch in Halle richtete er Veranstaltungen im Bereich des Turnens aus, 1830 organisierte er in Gießen eine eigene Turngemeinde. Bald schon knüpfte er Kontakte zu Größen der Turnerschaft, wie Friedrich Ludwig Jahn und Johann Christoph GutsMuths, deren Überlegungen ihn prägten.
Nach dem Examen (1832) wurde er Hauslehrer beim Grafen Solms in Assenheim, anschließend ging er in die Schweiz, wo er als Gesangs-, Zeichen- und Turnlehrer zunächst in Burgdorf tätig war. 1844 zog Adolf Spieß nach Basel, wo ihm die Leitung des Schulturnens an Knaben- und Mädchenschulen übertragen wurde.
Während seiner Zeit in der Schweiz betätigte sich Spieß aktiv an der Verbindung von Schul- und Turnleben. Er gilt als einer der Begründer des Schulturnens in der Schweiz und trat für die Ausdehnung des Schulturnens auch auf Mädchenschulen ein. 1840 erschien der erste Teil seiner vierbändigen „Lehre der Turnkunst“ (1840-1846). Seinen pädagogischen Ansatz, Schule und Turnen in einer Institution zu vereinen, legte er 1842 in seinen „Gedanken über die Einordnung des Turnwesens in das Ganze der Volkserziehung“ nieder.
Erst in revolutionären Zeiten gelangte Spieß wieder in die hessische Heimat. In Darmstadt wurde ihm 1848 die Leitung über das hessische Turnwesen übertragen. Bereits 1852 wurde auf seine Initiative hin die erste Darmstädter Schulturnhalle erbaut, eine der ersten in Deutschland überhaupt. Spieß erteilte selbst Turnunterricht, wirkte als Turnlehrer am Gymnasium sowie an der Realschule in Darmstadt. Zugleich bildete er zukünftige Lehrer im Unterrichten des Turnens aus. Aus ganz Hessen kamen Kandidaten zu den Kursen des Turninspektors in die Landeshauptstadt. Auch in anderen Städten, wie beispielsweise in Frankfurt am Main, war Spieß an der Einführung des Schulturnens beteiligt.
Die turntheoretischen Überlegungen von Adolf Spieß waren zwar inspiriert von den Gedanken eines Friedrich Ludwig Jahn, gingen in ihrer Rationalität aber darüber hinaus – und stießen bei Vertretern der „Deutschen Turnkunst“ auf Kritik. Seine Frei- und Ordnungsübungen, konzipiert als Bewegungsgeometrien und bis ins kleinste Detail dargestellt in seiner umfangreichen „Lehre der Turnkunst“, entfernten sich stark von natürlichen Bewegungen. Die Grundidee der Lehre gilt als geprägt von den pädagogischen Idealen seines Mentors Friedrich Fröbel, zu dem er seit langer Zeit in persönlicher Beziehung stand.
Anders als Jahn, Weidig, Felsing und Schmuck wollte Spieß das Turnen nicht politisch instrumentalisieren. Damit war er seiner Zeit voraus. Insbesondere für das Schulturnen in Darmstadt und Hessen spielte Spieß in der letzten Dekade seines Lebens eine entscheidende Rolle. Er wirkte hier in doppelter Funktion: als Turnlehrer sowie als Turninspektor.
In Deutschland und in der Schweiz wurde Spieß, als „Vater des Schulturnens“ bezeichnet. Adolf Spieß gilt als Turntheoretiker und -pädagoge, dem durch sein Bestreben nach Verankerung des Schulturnens im Schulgesetz ein maßgeblicher Anteil an der Institutionalisierung des Sportunterrichts zugeschrieben wird. Aufgrund seines Einsatzes für die Teilnahme von Mädchen am Turnunterricht gilt Spieß auch als einer der Begründer des Mädchenturnens.
Nach langer schwerer Krankheit starb Adolf Spieß am 9. Mai 1858 im Alter von erst 48 Jahren in Darmstadt. Die Adolf-Spieß-Straße erinnert an ihn.
Die Grabstätte von Adolf Spieß auf dem Alten Friedhof zählt zu den Darmstädter Ehrengräbern.