Bundesweite Termine
05.01.2021
Grußwort
Steter Mahner für die Olympischen Kernwerte
05.01.2021
DOG
70 Jahre Deutsche Olympische Gesellschaft
17.11.2020
Neckaralb
Ehrung des Turngaus Zollern-Schalksburg
06.11.2020
Berlin
Mitgliederversammlung: DOG-Präsidium mit bekannten und neuen Namen
05.11.2020
Nachruf
Ehrenmitglied Hubert Hey verstorben
Künzel, Ingrid (heute: Ingrid Reinhardt)
Persönliche Daten
Geboren am: 29.01.1938
Geboren in: Darmstadt
Heirat 1961 mit Lutz Reinhardt (verstorben 2005)
Kinder: Wulf (*1962), Tim (*1965), Anke (*1967)
Wohnort: Mühltal
>>> Ingrid Künzel: Vom Woog zu Deutschen Meisterschaften
Kriegsjahre
Sie wurden in Darmstadt geboren, wo haben Sie gewohnt?
Bis zu meinem vierten Lebensjahr haben wir in der Herderstraße 16 gewohnt. Dann kamen die ersten Bomben. Mein Vater war der Ansicht, dass es für seine Familie in Darmstadt zu gefährlich würde, und hat uns, meine Mutter, meinen Bruder und mich, in den Odenwald geschickt. Er selbst war an der Front.
Wo im Odenwald sind Sie untergekommen?
Das war in Ebersberg, zwischen Hetzbach und Erbach.
Warum gerade Ebersberg? Hatten Sie dort Verwandte?
Meine Tante hatte Verbindung zu einem Bauernhof in Ebersberg. Dort hat man sie mit ihrer Tochter und uns mit offenen Armen aufgenommen und in einem eigenen kleinen Häuschen untergebracht.
In der Mümling, die ja ganz in der Nähe entspringt, habe ich schwimmen gelernt. Man hatte das Quellwasser dort an einer Stelle gestaut, so dass sich ein kleines Becken bildete, in dem man schwimmen konnte. Das Wasser war an dieser Stelle an die zwei Meter tief und EISKALT! Für meine späteren Schwimmaktivitäten war ich also gerüstet.
>>> Mehr Informationen zur Brandnacht im Stadtlexikon Darmstadt
Dort waren Sie dann sicher?
Sicherer als in Darmstadt auf jeden Fall, aber es gab auch dort immer mal wieder Angriffe von Tieffliegern. Einmal sind auch Bomben über uns abgeladen worden, da war ich gerade sechs Jahre alt. Zum Glück hatten wir uns rechtzeitig in einen Gewölbekeller begeben. An meine Todesangst kann ich mich noch gut erinnern und das Geräusch der Detonationen habe ich noch heute im Ohr. Aber, wie gesagt, in Darmstadt war es bedeutend schlimmer!
Was wissen Sie darüber?
Meine Oma war in Darmstadt geblieben und mein späterer Mann hat während der Zeit in der Nähe der Pauluskirche gewohnt. Vor allem aus deren Schilderungen habe ich ein Bild darüber gewinnen können. In der Brandnacht vom 11. auf den 12. September 1944, in der Darmstadt bombadiert und in Schutt und Asche gelegt wurde, war ich sechs Jahre alt.
Wo war Ihr Vater zu diesem Zeitpunkt?
Mein Vater ist im Mai 1944 gefallen. Im Grunde habe ich ihn gar nicht richtig kennengelernt. Meine Mutter hat getan was sie konnte und ihn voll ersetzt. Sie war eine unheimlich starke Frau.
Wann sind Sie nach dem Krieg nach Darmstadt zurückgekehrt?
Das hat nach Kriegsende noch eine ganze Weile gedauert. Erst 1948 gingen wir nach Darmstadt zurück. Das Haus in der Herderstraße war noch bewohnbar, aber in unsere Mietwohnung war eine andere Familie eingezogen. Es herrschte ja überall große Wohnungsnot, und eine bewohnbare Wohnung durfte einfach nicht leer stehen. Für uns war das zunächst ein großes Problem.
Mit welcher Lösung?
Die Druckerei meiner Großeltern Künzel lag in Trümmern, und wir machten uns daran das Grundstück aufzuräumen. Eine "Druckerei Künzel" gab es erst Jahre später an anderer Stelle wieder, nachdem mein großer Bruder Horst seine Ausbildung zum Buchdruckmeister beendet hatte.
Mit dem Aufräumen der Trümmer war es aber sicherlich nicht getan.
Nein, da musste harte Arbeit geleistet werden. Backsteine wurden gesäubert und Stück für Stück aufeinander geschichtet. Der nötige Speis wurde aus Wasser und Sand gemacht, und es ist schon fast ein Wunder, dass uns die Wände nicht über den Köpfen zusammengefallen sind.
Das klingt nicht sehr komfortabel.
Alles war nur Behelf, aber wir waren froh, hier untergekommen zu sein. Ein Bad war nicht vorhanden, die Körperpflege fand am Waschbecken statt. An Warmwasser aus der Leitung war ja damals ohnehin noch nicht zu denken. Wer warmes Wasser haben wollte, musste es sich auf dem Ofen erhitzen. Woher zum Beispiel die Türen in unserer Unterkunft kamen, weiß ich heute nicht mehr, aber meine Mutter war schon sehr erfinderisch und fand fast immer einen Weg, wenn etwas benötigt wurde. Hier und da waren auch mal Zigaretten als Tauschware da, und die wurden in der Nachkriegszeit sehr hoch gehandelt.
Wie lange haben Sie dort gewohnt?
Meine Mutter, mein Bruder und ich haben zusammen bis 1961 dort gewohnt. Dann haben mein Mann und ich eine Wohnung in der Erbacher Straße bekommen. Für mich war das eine erhebliche Verbesserung.
Ausbildung und der Einstieg ins Berufsleben
Welche Schulen haben Sie besucht?
Zunächst die Grundschule in Ebersberg. Da waren acht Jahrgänge in einem Raum untergebracht. Ich erinnere mich noch gut an meine Lehrerin in der ersten Klasse. Sie las uns biblische Geschichten vor, ein entscheidender Grund dafür, mich mit sieben Jahren auf eigenen Wunsch taufen zu lassen. Offensichtlich wurden schon damals die Weichen gestellt für mein späteres Gottesbild.
Nach der Rückkehr nach Darmstadt habe ich ein Jahr lang die Mornewegschule besucht und danach die Ursulinenschule, heute Edith-Stein-Schule, die ich mit der mittleren Reife abgeschlossen habe. Nach dem mittleren Schulabschluss konnte ich noch ein Jahr die höhere Handelsschule besuchen, wo ich Schreibmaschine und Steno lernte und zur Sekretärin ausgebildet wurde. Für ein Studium fehlte damals das Geld.
Haben Sie danach als Sekretärin gearbeitet?
Ich bin dann 1954 bei der Deutschen Bundespost, genauer gesagt beim Fernmeldetechnischen Zentralamt in Darmstadt eingestellt worden. Heute würde man meine Tätigkeit mit Bürokauffrau beschreiben. Für mich war die Anstellung ein Glücksgriff, denn mein Arbeitgeber hat mich bei meiner späteren Schwimmkarriere immer sehr großzügig unterstützt.
1958 bin ich zur Stadt Darmstadt gewechselt; dort war ich beim Sportamt angestellt.
Wann haben Sie Ihre Karriere als aktive Schwimmerin beendet?
Nachdem ich meinen Mann kennengelernt hatte, habe ich mich ganz allmählich aus dem Schwimmsport zurückgezogen. Das Feuer war nicht mehr vorhanden.
1962 wurde unser erster Sohn geboren. Da blieb weniger Zeit für andere Betätigungen. Familie und Beruf wurden immer wichtiger.
Schwimmen war ein Abschnitt in meinem Leben gewesen, und dieser Abschnitt war vorüber.
Haben Sie über den Sport dauerhafte Freundschaften geschlossen?
Über den Sport habe ich Harry Valerien kennengelernt. Er wurde einer meiner besten Freunde. Ein ganz toller Mensch.
Darmstadt
Welche Personen fallen Ihnen ein, wenn Sie an Darmstadt denken?
Zunächst einmal einige Namen aus dem Schwimmsport: Hennes Köhler, die Trainer Eugen Richter, Walter Conrad und Klaus Hohlfeld, der zuständig für die Trainingspläne war.
Oberbürgermeister Günter Metzger und sein Bruder Eberhard, ein Mitglied der erfolreichen 98er Zehnkampfmannschaft, und später einer unserer Trauzeugen.
Was gefällt Ihnen an Darmstadt?
Der Woog war viele Jahre meine sportliche Heimat; ich mag ihn immer noch. Auch das Jugendstilbad gefällt mir sehr gut.
Was gefällt Ihnen an Darmstadt nicht?
In der Innenstadt geht alles sehr hektisch zu. Man sieht nur rennende Menschen, niemand hat Zeit, keiner nimmt Rücksicht auf seine Mitmenschen. Die Menschen scheinen insgesamt rabiater geworden zu sein. Heimisch fühle ich mich ohnehin eher in Bessungen.
Sind Sie heute noch häufig in Darmstadt?
Nein.
Das Gespräch mit Ingrid Reinhardt wurde am 26. September 2017 geführt; Gesprächspartner: Rainer Paepcke.
Text: Nachdruck und jegliche Art der Vervielfältigung und Weiterverbreitung (auch auszugsweise) nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Deutschen Olympischen Gesellschaft, Zweigstelle Darmstadt.
Fotos: Die Fotos entstammen dem Privatarchiv von Ingrid Künzel. Nachdruck und jegliche Art der Vervielfältigung und Weiterverbreitung nur mit ausdrücklicher Genehmigung von Ingrid Künzel.