Bundesweite Termine

05.01.2021
Grußwort

Steter Mahner für die Olympischen Kernwerte

05.01.2021
DOG

70 Jahre Deutsche Olympische Gesellschaft

17.11.2020
Neckaralb

Ehrung des Turngaus Zollern-Schalksburg

06.11.2020
Berlin

Mitgliederversammlung: DOG-Präsidium mit bekannten und neuen Namen

05.11.2020
Nachruf

Ehrenmitglied Hubert Hey verstorben

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Henze, Heiner

Persönliche Daten

Geboren am: 26.03.1941
Geboren in: Breslau
Familienstand: Verheiratet (seit 1967) mit Ehefrau Elke, geborene Bucher
Kinder: Zwei Töchter
Wohnort: Egelsbach

>>> Heiner Henze: Beruflicher Werdegang, Ehrenämter

>>> Heiner Henze: Ehrungen und Auszeichnungen

>>> Heiner Henze: Olympische Reisen

Die Kurzbiografie

Von Lehrern und Kärrnern

Möchten Sie sich gern in einem dörflichen Sportverein engagieren? Oder lieber im Umfeld des großen Sports, bei Olympischen Spielen, Europa- oder Weltmeisterschaften mitarbeiten? Heiner Henze fällt die Antwort auf diese Frage leicht: Er hat sich für das Engagement in beiden Bereichen entschieden. Als Übungsleiter, Trainer und Funktionär hat er seine Spuren beim FSV Frankfurt, im ASC Darmstadt und vor allem bei der SG Egelsbach hinterlassen, wo er auch heute (2016) noch ehrenamtlich mit Rat und Tat zur Seite steht.

Als Kontrastprogramm muss man wohl seine vielfältigen Aktivitäten in den Schaltzentralen des organisierten Sports betrachten. Im Hauptamt, nebenberuflich und auch ehrenamtlich hat er über Jahrzehnte die Geschicke im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), im Nationalen Olympischen Komitee (NOK) und in zahlreichen weiteren Organisationen in der Welt des Sports mitbestimmt. Insgesamt 13 Olympische Spiele durfte Heiner Henze miterleben, die meisten davon als Leiter des Mannschaftsbüros oder als stellvertretender Chef de Mission. Trotz seiner Arbeit in exponierter Position betrachtet Heiner Henze sein lebenslanges Engagement in der Welt des Sports nüchtern und sachlich:

„Die Vereinsarbeit beim FSV Frankfurt, im ASC Darmstadt und vor allem für die SGE, sowie die hierbei gesammelten Erfahrungen möchte ich in meinem Leben nicht missen. Sie zeigt mein Bestreben auf, meine Arbeit im nationalen und internationalen Raum immer mit der ehrenamtlichen Erfahrung auf örtlicher Vereinsebene, der Basis, zu verbinden. Sie hat aber auch viel Spaß gemacht.“

Zunächst deutete nur wenig auf eine erfolgreiche Funktionärskarriere hin. Sein Lehramtsstudium (Leibeserziehung, Wissenschaftliche Politik, Mathematik) an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt und der Technischen Hochschule in Darmstadt schloss er 1968 mit dem 1. Staatsexamen ab; das 2. Staatsexamen folgte 1970. Seine Zeit zwischen den beiden Staatsprüfungen verbrachte er als Studienreferendar an der Justus-Liebig-Schule in Darmstadt; Sportfachleiter war zu jener Zeit Arthur Prosig, im Kollegium traf er unter anderem auf den bereits bekannten Studienassessor Bernd Engelhard und dessen Vater, den Sportlehrer Hermann Engelhard, der bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam die Bronzemedaille über 800 Meter und die Silbermedaille in der 4 x 400-Meter-Staffel gewonnen hatte.

Dem 2. Staatsexamen im Januar 1970 folgte zum 01.02.1970 die Ernennung zum Assessor und ein Antrag auf Beurlaubung zum gleichen Termin. Henze hatte ein Angebot des Nationalen Olympischen Komitees von Deutschland erhalten, wo er zum 01.03.1970 die Arbeit als stellvertretender Generalsekräter aufnahm. In den Schuldienst ist Heiner Henze nicht wieder zurückgekehrt.

Es folgten drei Jahrzehnte in Diensten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland, meist bekleidete er den Posten eines Generalsekretärs. Per Definition ist ein Generalsekretär der Leiter der Verwaltung und der Dienstvorgesetzte der hauptamtlichen Mitarbeiter in einer Organisation, letztendlich ist er dem jeweiligen Präsidenten oder Vorsitzenden unterstellt. In den sozialistisch geführten Staaten Osteuropas lag oft die gesamte Machtfülle in den Händen des Generalsekretärs; bei Kontakten mit Vertretern aus Ostblockstaaten kam es daher immer mal wieder zu Verständnisproblemen und Irritationen.

Heiner Henze gibt an, dass er während seiner Zeit im DLV und auch beim NOK „eher Beobachtender als Handelnder war“. Anlässlich seines 60. Geburtstags bescheinigte ihm die FAZ dass er zu den seltener werdenden Zeitgenossen gehöre, „die ohne viel Aufhebens dienen und lästige Kärrnerarbeit auf sich nehmen“. Kärrnerarbeit, die Arbeit eines Wagenziehers, gilt als harte, körperliche Arbeit, die dem Menschen alles abverlangt. Schillers Spruch „Wenn die Könige bauen, haben die Kärrner zu tun“, beschreibt einen weiteren Aspekt der Kärrnerarbeit: Neben dem hart Arbeitenden gibt es auf der anderen Seite häufig auch jemanden, der von dieser Arbeit profitiert und sich im Glanze der Arbeitsergebnisse sonnt. Nicht selten steht ein Präsident im Interesse der Medien, während die Arbeitsebene in der Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet bleibt.

Auch wenn Heiner Henze eher als „Sekretär“ denn als „General“ eingestuft wurde, ist seine Arbeit nicht hoch genug einzuschätzen. Hans-Peter Seubert bezeichnet ihn in einem Artikel anläßlich seines 75. Geburtstags (Darmstädter Echo vom 23.03.2016) als „fleißig, loyal, sachkundig, gradlinig“. Mit diesen Eigenschaften wurde er ein verlässlicher und geschätzter Partner in allen beruflichen Funktionen.

Dass der Sport nicht nur Beruf, sondern auch Berufung ist, lässt sich an der Zahl der Ehrenämter festmachen, in denen sich Heiner Henze national und international im Laufe von mehr als fünf Jahrzehnten engagierte. Der Allgemeine Deutsche Hochschulverband (ADH), der Internationale Studenten-Sportverband (FISU), der Europäische Leichtathletik-Verband (EAA), der Internationale Leichtathletik-Verband (IAAF) und die Deutsche Olympische Gesellschaft (DOG) zählten zu den Organisationen, in die sich Heiner Henze mit seinem Wissen beratend und  gestaltend einbrachte.

Fußball in Gießen 1954 (hinten rechts)
Hürdenlauf in Heuchelheim 1957

Das Interview

Heinrich Karl Henze wird zum Heiner

Sie wurden auf den Namen Heinrich Karl Henze getauft; unter diesem Namen sind Sie bei Google nur schwer zu finden.
Schon in der Geburtsanzeige war zu lesen „Wir werden ihn Heiner nennen“. Und dieser Name hat sich schließlich auch durchgesetzt.

Nach Ihrem Umzug nach Darmstadt sind Sie ja später quasi noch einmal zum „Heiner“ geworden. Haben Ihre Eltern vorausschauend gehandelt und Ihren Weg vorgezeichnet.
Da bin ich mir bei meinem Vater nicht so sicher!

Da wir gerade beim Thema Darmstadt sind: Was fällt Ihnen zum Stichwort Darmstadt ein?
Darmstadt steht für das Ende meiner Studiums, für meine Sport- und Trainerkarriere und vor allem für den Beginn meiner Familie.

Welche Person, welche Personen verbinden Sie mit Darmstadt?
Mit Darmstadt verbinde ich vor allem Helmut Meyer von der Technischen Hochschule Darmstadt, einen der ersten Mentoren, die ich hatte. Mit Darmstadt verbinde ich auch eine Vielzahl von Namen aus der Welt des Sports, vor allem aus der Leichtathletik, von Gerhard Hennige bis Lutz Philipp. Dazu natürlich noch etliche Sportlerinnen und Sportler, zu deren Ausbildung ich beigetragen habe, wie beispielsweise Monika Pech.

Alles Personen mit einer Verbindung zum Sport!
Aus dem schulischen Bereich fallen mir spontan mein damaliger Mentor Artur Prosig und Bernd Engelhard von der Justus-Liebig-Schule in Darmstadt ein, die mir in diesem Umfeld sehr geholfen haben.

Sie haben in Darmstadt studiert, gewohnt und gearbeitet. Was zieht Sie heute noch aus Egelsbach in Richtung Darmstadt?
Ich bin immer mal wieder in Darmstadt, um Freunde zu besuchen. Und ich besuche nach wie vor gern die Veranstaltungen der Darmstädter Zweigstelle in der Deutschen Olympischen Gesellschaft.

Sie sind seit mehr als 50 Jahren Mitglied in der Deutschen Olympischen Gesellschaft – ein langer Zeitraum.
Im Laufe der Zeit denkt man naturgemäß schon mal über einen Austritt nach. In einer derartigen Situation hat mich einmal die Zweigstelle Frankfurt mit ihren Führungspersönlichkeiten Gregor von Opel und Karl Eyerkaufer aufgefangen. In der Folgezeit hat sich dann die Zweigstelle Darmstadt der DOG gemausert. Ich gehe dort gern hin und unterstütze deren Aktivitäten.

Ohne diese beiden Aktivposten in meinem näheren Umfeld hätte ich meine Mitgliedschaft in der DOG sicher schon beendet.

Sie kennen viele bedeutende Sportstätten in der ganzen Welt. Wo soll das neue Darmstädter Stadion gebaut werden?
Dazu möchte ich mich nur sehr zurückhaltend äußern. Ich befürchte, dass der SV Darmstadt 98 wieder ein oder zwei Ligen weiter unten spielt, wenn das neue Stadion in Betrieb genommen werden kann. Nüchtern betrachtet muss man feststellen, dass der SV Darmstadt ein neues Stadion braucht, unabhängig davon, in welcher Liga die Mannschaft antritt. Ich hoffe, dass man nicht zu groß baut und am Ende etwas Ähnliches dabei heraus kommt wie in Offenbach oder beim FSV Frankfurt.

Bei der Standortwahl bin ich völlig emotionslos. Wenn man ein Sportzentrum schaffen möchte, könnte ein Standort in der Nähe des Nordbads interessant sein, da in diesem Umfeld bereits einige andere Sportstätten vorhanden sind.

"Platzanweiser“ bei Olympia

Sie haben 13 Olympische Spiele miterleben dürfen. Ist da der Titel „Mr. Olympia hinter den Kulissen“ angebracht?
Nein, das wäre maßlos übertrieben. Es gibt Kollegen, die bei mehr Spielen dabei waren.

Ihre Tochter Gitta soll einmal gesagt haben: „Mein Vater ist Platzanweiser bei der Olympiade“. Trifft das die Funktion, die Aufgabenstellung besser?
Aus ihrer damaligen Sicht ja. Gitta hat diesen Satz bei den Olympischen Spielen 1972 von sich gegeben, kurz nachdem sie gesehen hatte, wie ich auf der Ehrentribüne einige Gäste begrüßte. Ihren ersten Eindruck von dieser Szene hat sie dann auf ihre Art zum Ausdruck gebracht.

Ihr Arbeitsplatz war im Olympischen Dorf. Ein Dorf wird meist als ein historisch gewachsener, geschlossener Ort mit mindestens zehn Gebäuden und einer gewissen Infrastruktur wie Kirche oder Gasthaus bezeichnet. Trifft diese Beschreibung auf ein Olympisches Dorf zu?
Ein Olympisches Dorf gleicht eher einer Kleinstadt. Eine Kirche, inklusive hervorragender psychologisch-seelsorgerischen Betreuung, ist ebenso vorhanden wie ein großes Gasthaus, die Mensa, die sich als Treffunkt immer größter Beliebtheit erfreut.

Historisch gewachsen ist ein Olympisches Dorf aber wohl eher nicht?
Nein, ein Olympisches Dorf wird im Vorfeld der Olympischen Spiele errichtet. Das Bauvorhaben beginnt einige Jahre vor der Eröffnungsfeier. Nach den Spielen muss das Dorf dann möglichst umgehend in ein Wohngebiet umgewandelt werden. In München 1972 und in Barcelona 1992 ist diese Transformation in vorbildlicher Weise geglückt.

Gibt es Gegenbeispiele?
Hier und da haben die Anpassungen wohl länger gedauert als erwartet, aber so weit ich weiß, wurden am Ende alle Olympischen Dörfer in neuen Wohnraum für die einheimische Bevölkerung umgewandelt. Bei der Nutzung der Sportstätten sieht es dagegen leider anders aus.

Immer häufiger werden Sportstätten nach Olympischen Spielen und Fußballweltmeisterschaften nicht mehr oder nur unzureichend genutzt. Städte und Regionen können sich den oft immens teuren Unterhalt nicht mehr leisten und die Sportstätten sind dem Verfall preis gegeben. Wie kann man dieses Problem in den Griff bekommen?
Ich drücke dem heutigen IOC die Daumen und hoffe, dass man das umsetzen wird, was in der Agenda 2020 festgelegt wurde. Dabei soll unter anderem die zukünftige Nutzung der Sportstätten stärker in den Vordergrund gerückt werden.

Zurück zum Olympischen Dorf; in München 1972 gab es zwei getrennte Dörfer: eines für die Frauen und eines für die Männer. In Rio 2016 sollen 450.000 Kondome für die Sportlerinnen und Sportler bereit gelegen haben. Eine ganz normale Entwicklung?
Ja; getrennte Dörfer für weibliche und männliche Teilnehmer gab es in München zum letzten Mal. Die Gleichberechtigung ist kontinuierlich voran geschritten, was man auch daran erkennen kann, dass anders als noch vor einigen Jahrzehnten heute für Frauen und Männer weitestgehend das gleiche Spektrum an Sportarten und Disziplinen angeboten wird.

Olympia-Akkreditierungen
Universade Budapest 1965 (rechts: Heiner Henze)

Arbeitsplatz Mannschaftsbüro

 

Ihr Arbeitsplatz im Olympischen Dorf war das Mannschaftssbüro. Welche Aufgaben werden im Mannschaftsbüro wahrgenommen?

Das Mannschaftsbüro ist die Organisationszentrale der jeweiligen Olympia-Mannschaft und dient der Organisation und Betreuung aller Mannschaftsmitglieder von der Ankuft bis zur Abreise. Inbegriffen sind alle Themenbereiche von der Akkreditierung bis hin zur Vorbereitung von Siegesfeiern. Üblicherweise war ich eine Woche vor Eröffnung der Olympischen Spiele vor Ort, um das Mannschaftsbüro einzurichten.

 

Wie bereits erwähnt, waren Sie in München 1972 dabei. Wie haben Sie den Anschlag auf das Quartier der israelischen Mannschaft erlebt?

Ich war an diesem Tag früh aufgebrochen, um eine Delegation des Internationalen Leichtathletikverbandes ins Voralpenland zu begleiten. Verlassen und Betreten des Olympischen Dorfes konnten wie gewohnt erfolgen, nichts deutete zu diesem Zeitpunkt auf einen terroristischen Anschlag hin. Anlässlich eines Kontrollanrufs im Olympischen Dorf wurde ich dann mit den Fakten konfrontiert. Gegen 15:00 Uhr war ich zurück im Dorf und konnte erleben, dass die fröhliche Stimmung der ersten Tage verschwunden war.

 

Hatte der Anschlag von München Auswirkungen auf nachfolgende Olympische Spiele?

Ganz sicher. Unmttelbar nach dem Anschlag wurden vor Ort Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Heute ist das Olympische Dorf eine voll kontrollierte und bewachte Sicherheitszone.

 

Kann sich ein derartiger Anschlag bei zukünftigen Spielen trotz gestiegener Sicherheitsmaßnahmen wiederholen?

Diese Frage muss ich leider bejahen. Wie wir in jüngster Vergangenheit erleben mussten, sind terroristische Gewaltakte auch durch moderne Sicherheitsmaßnahmen nicht völlig zu verhindern.

 

Welche besonders positiven Erinnerungen haben Sie an Olympia?

Ich werde oft gefragt, welche Olympischen Spiele die schönsten waren. Diese Frage lässt sich nicht beantworten. Jede Veranstaltung hatte etwas Besonderes und war für sich gesehen einzigartig. Einzelne Erlebnisse sind mir natürlich noch in besonders guter Erinnerung, weniger die eher seltenen Besuche an den Wettkampfstätten, sondern eher die Erlebnisse im Umfeld der Spiele: Der Besuch zusammen mit einigen Mannschaftsmitgliedern bei der christlichen Gemeinde in Sapporo, wo man sich während des Abendessens kennenlernte und anschließend deutsche Lieder sang. Oder die Diskussion zwischen den deutschen Eishockey-Frauen und den Mädchen und Jungen einer Schule in Salt Lake City. Beeindruckend war auch ein Besuch am 38. Breitengrad, der nicht nur die Grenze zwischen Süd- und Nordkorea, sondern auch eine markante Linie zwischen verschiedenen politischen Weltanschauungen darstellt.

 

Über negative und positive Erlebnisse haben wir gesprochen. Gab es lustige Erlebnisse?

Immer wieder mal. Da kam beispielsweise der Rodler Georg Hackl ohne Gepäck im Olympischen Dorf an; sein Gepäck war fehlgeleitet worden oder auch nur verspätet. Den Hackl Schorsch habe ich dann mit ein paar Unterhosen aus meinem eigenen Bestand versorgt. Auch dafür ist ein Mannschaftsbüro zuständig. Georg Hackl war jedenfalls für diese Aktion dankbar.

 

Wie oft hat Sie Ihre Frau zu Olympischen Spielen begleitet?

Meine Frau war zweimal vor Ort, einmal im Winter und einmal im Sommer. Meine Frau war an der Schule tätig, und die Olympischen Spiele fanden meist außerhalb der Schulferien statt. Außerdem hatte ich während meiner Tätigkeit vor Ort keine freie Zeit für gemeinsame Unternehmungen. Während ihrer Besuche war meine Frau jeweils privat untergebracht und betreut.

 

Wie sahen Ihre Arbeitstage im Olympischen Dorf aus?

Der Arbeitstag begann zwischen fünf und sechs Uhr morgens und endete meist nach Mitternacht.

 

Sind Ihnen persönliche Fehler oder persönliche Erfolge in Erinnerung?

Beispiele dafür kann und will ich nicht geben. Ich habe immer mein Bestes gegeben, um ein positives Umfeld für alle Mannschaftsangehörigen zu schaffen.

 

Haben Sie im Umfeld der Olympischen Spiele bedeutende Persönlichkeiten kennen gelernt?

Fast immer kamen die für den Sport zuständigen Innenminister auf Stippvisite zur deutschen Mannschaft. In München waren Willi Brandt und Franz-Josef Strauß im Olympischen Dorf zu Gast. Den Bundespräsidenten Rau habe ich in Salt Lake City betreuen dürfen.

 

Handelt es sich dabei um spontane Besuche?

In aller Regel nicht. Der Besuch eines hochrangigen Politikers wird frühzeitig in enger Zusammenarbeit mit dessen Stab geplant. Repräsentant der Olympiamannschaft ist dabei der jeweilige Chef de Mission. Da sich aber kaum ein Mannschaftsvertreter im Olympischen Dorf so gut auskannte wie ich, musste ich dann doch immer mal wieder die Führung übernehmen. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich noch sehr gut an den Besuch des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in Barcelona 1992. Der Bundespräsident war an einem nicht vorgesehenen Dorfeingang angekommen und wurde dann von mir zu seinem Ziel geführt. Gute Ortskenntnisse sind oftmals von Vorteil.

 

Georg Hackl (links), Heiner Henze
Deutsche Mannschaftsleitung, japanische Mitarbeiter

 

Funktionäre – Bach, Nebiolo, Diack

 

In Ihrem Berufsleben haben Sie mit vielen hochrangigen Funktionären zusammengearbeitet. Darf ich Sie um ein Statement zu einigen Namen bitten?

Gerne.

 

Dr. Thomas Bach, derzeitiger Präsident des Internationalen Olympischen Komitees.

Thomas Bach war Fechter in Montreal 1976. Dort habe ich ihn lediglich im Rahmen meiner betreuenden Tätigkeit kennengelernt. Später war er Athletensprecher, wo ich am Rande mit ihm zu tun hatte.

Die erste konkrete Begegnung mit ihm hatte ich zu der Zeit als er als Marketingdirektor bei der Firma Adidas arbeitete und Adidas sowohl Sponsor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes als auch der deutschen Olympiamannschaft war. Wir waren bei unseren Themen nicht unbedingt auf einer Wellenlänge, und aus meiner Sicht zeigte sich Thomas Bach dabei auch nicht als kooperativ.

Während unserer gemeinsamen Zeit im Präsidium des NOK gab es dann die eine oder andere kontroverse Diskussion. Allerdings hat er mir auch einmal geholfen einen Termin beim damaligen IOC-Präsidenten Jacques Rogge zu bekommen.

Alles in allem haben wir aber sehr wenig miteinander zu tun gehabt.

 

War es eine richtige Entscheidung, die russische Mannschaft bei den Spielen in Rio 2016 nicht komplett auszuschließen?

Das muss unter dem Aspekt der bestehenden Regelwerke und Möglichkeiten betrachtet werden. Aus meiner Sicht war es richtig und im Sinne der bestehenden rechtlichen Vorgaben, den einzelnen Verbänden die Entscheidung über Teilnahme und Nichtteilnahme zu überlassen.

Grundsätzlich halte ich Bachs Verwobenheit mit Politik und Wirtschaft für bedenklich. Ob diese Verbindungen am Ende tatsächlich negative Auswikungen haben werden, wird die Zeit zeigen. Messen lassen muss er sich jedenfalls an der Agenda 2020; wenn er es schafft die Vorgaben der Agenda umzusetzen, wird er auf jeden Fall positive Spuren im IOC hinterlassen.

 

Primo Nebiolo, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF von 1981 bis 1999.

Nebiolo hatte für mich zunächst etwas Geniales. Als er 1981 Präsident des IAAF wurde, war er sicherlich der richtige Mann zur richtigen Zeit  am richtigen Platz. Ich habe allerdings bald Brutalität und ein autokratische Verhalten an ihm festgestellt. Der Leichtathletik haben diese Eigenschaften immer mal wieder geschadet.

 

Lamine Diack, Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF von 1999 bis 2015.

Diack war der direkte Nachfolger von Nebiolo im Internationalen Leichtathletik-Verband. Wir haben uns bereits 1977 kennengelernt anlässlich der Organisation des ersten Leichtathletik Weltcups in Düsseldorf. Diack war für mich immer ein hervorragender Partner. Dass er sich in der Endphase seines Wirkens, vermutlich angestiftet von seinem Sohn, zu massiven Verstößen gegen das Regelwerk hat hinreissen lassen, habe ich nicht verstanden, verstehe es auch heute noch nicht. Mich hat sein Verhalten auch persönlich massiv enttäuscht.

 

Heiner Henze, Jacques Rogge
Heiner Henze, Prof. Digel, Dr. Engelhardt (von links)

 

Sportpolitik

 

One country, one vote: Sinnvoll oder nicht?

Nicht sinnvoll. Diese Regelung ist für mich der Grund für viele Probleme, die internationale Sportorganisationen heutzutage haben. Leider ist es so, dass viele Vertreter von Ländern die Wahl eines Präsidenten entscheiden können, die den von ihnen repräsentierten Sport gerade noch buchstabieren können, aber keine tiefen Einblicke in Historie, Entwicklung, Notwendigkeiten und Perspektiven haben. Wollte man hier ein böses Wort benutzen, könnte man den Begriff „Stimmvieh“ verwenden.

 

Bis zu drei Athleten eines Nationalen Olympischen Komitees werden in festgelegten Sportarten ohne weiteren Leistungsnachweis zu Olympischen Spielen zugelassen. Richtig oder falsch?

Ich halte das für richtig, weil es zeigt, dass die Olympische Bewegung tatsächlich eine weltumfassende Bewegung ist.

 

Hohe Ticketpreise bei Olympia, komplizierte Losverfahren bei der Ticketvergabe, leere Ränge in olympischen Wettkampfstätten. Was läuft da falsch?

Da deutsche Sportfans sehr reiselustig sind, ist die Nachfrage für Tickets aus unserem Land sehr groß. Die Ticketverteilsysteme sind auf derartige Besonderheiten nicht eingestellt, und daher bleiben viele deutsche Ticketwünsche unerfüllt. Was sich im Umfeld der Ticketvergabe ändern muss, ist die Abgabe von größeren Ticket-Kontingenten an Sponsoren. Die Sponsoren nutzen diese Tickets in vielen Fällen nicht, so dass die entsprechenden Sitzplätze unbelegt bleiben. Wenn diese freien Plätze nicht in den Verkauf gegeben werden können, sollten sie zumindest an Athleten vergeben werden, für die in den meisten Fällen auch nicht genügend Tickets zur Verfügung stehen.

 

Werden insgesamt zu viele Tickets kostenlos vergeben?

Es ist sinnvoll und richtig, wenn der Sport seinen Mitarbeitern, Athleten und verdienten Funktionären derartige Vergünstigungen bietet. Die Zahl der hierzu genutzten Tickets ist aber gering und würde die Gesamtsituation zur Ticketvergabe an das sportinteressierte Publikum kaum verbessern.

 

Sind die Eintrittspreise nicht insgesamt zu hoch angesetzt?

Das ist sicher hier und da der Fall. Die Gestaltung der Eintrittspreise gleicht immer einem Spagat. Sind die Preise zu niedrig festgelegt, kann die Veranstaltung nicht kostendeckend durchgeführt werden, sind die Preise zu hoch, bleiben die Zuschauer eventuell der Veranstaltung fern.

 

Wird es irgendwann mal wieder Olympische Spiele in Deutschland geben?

Wenn die Agenda 2020 des IOC zu einem Erfolg wird, kann ich mir das vorstellen.

 

Verleihung der Pierre de Coubertin Medaille 2005: Walther Tröger, Heiner Henze, Elke Henze, Dr. Klaus Steinbach

 

Doping und Anti Doping

 

Bei dem Langstreckenläufer Dieter Baumann war anlässlich eines Dopingtests der nicht erlaubte Wirkstoff Nadrolon nachgewiesen worden. Kurz vor den Olympischen Spielen 2000 in Sydney hatte der Deutsche Leichtathletik Verband die Freigabe zur Teilnahme an den Wettkämpfen erteilt. Der Internationale Leichtathletikverband stellte sich jedoch gegen die Entscheidung des deutschen Verbandes, so dass der Fall vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS verhandelt werden musste. Sie haben Dieter Baumann auf Beschluss des NOK-Präsidiums vor dem CAS vertreten.

Das gehörte zu meinen Aufgaben als Generalsekretär.

 

Hatten Sie eine persönliche Meinung zur Schuldfrage?

In dem Verfahren ging es ja um die Beweislage und nicht um persönliche Ansichten. Dieter Baumann machte geltend, dass die verbotende Substanz in einer Zahnpastatube gewesen sei, die ihm ein Unbekannter ohne sein Wissen untergeschoben hatte. Ich war nicht völlig von seiner Unschuld überzeugt, habe mich aber so verhalten, wie sich jeder Rechtsvertreter verhält: schuldig ist man erst, wenn das Vergehen nachgewiesen ist und die entlastenden Argumente nicht ausreichen, um die Unschuld zu beweisen. Dieter Baumann wurde dann ja auch der Start bei Olympia verweigert.

 

War das das Ende der Geschichte?

Nein. Dieter Baumann war ja bereits in das Olympische Dorf von Sydney eingezogen und musste es dann unmittelbar nach dem Urteil verlassen. Es gehörte zu meinen Aufgaben, ihm die Akkreditierung abzunehmen und ihn zum Verlassen des Olympischen Dorfes aufzufordern.

 

Wie fühlt man sich dabei?

Besch ...

Ich kannte Dieter Baumann sehr gut und mochte ihn. Von der Gefühlslage her war das eine sehr schwierige und unschöne Situation. Aber es war eben auch ein Teil meines Jobs; Dieter Baumann war in diesem Zusammenhang kein Einzelfall für mich.

 

Einige Zeit später haben Sie ein Geschenk von Dieter Baumann bekommen ...

Dieter Baumann hat das Thema auf seine Art verarbeitet und mir später eine Tube Zahnpasta überreicht.

 

Was haben Sie mit der Tube gemacht?

Ich habe die Zahnpasta zum Zähnputzen verwendet. Nebenwirkungen gab es keine und auch meine Frau hat keine Veränderungen an mir festgestellt.

 

Ist eine lebenslange Sperre für Dopingsünder durchsetzbar?

Ethisch-moralisch wäre das gerechtfertigt, der Sport, der sich ja hohe ethische Ziele setzt, würde damit in der Öffentlicheit möglicherweise besser dastehen. In unserem Rechtssystem bedeutet das Urteil „lebenslänglich“ für ein Schwerverbrechen aber auch nicht „ein Leben lang“. Nach 20 oder 25 Jahren gilt auch eine derartige Strafe als verbüßt, und der ehemals Verurteilte erhält alle bürgerlichen Rechte zurück.

Der organisierte Sport hat in der Frage der Bestrafung von Dopingsündern Recht und Gerechtigkeit, Ethik und Moral und nicht zuletzt das bestehende Regelwerk im Auge zu halten. Eine verantwortungsvolle, aber oft nicht einfache Aufgabe.

 

Was muss im Anti-Dopingkampf geschehen, damit weltweit eine Chancengleichheit zwischen den Athleten hergestellt wird?

Die Verfolgung von Dopingvergehen muss weiter entwickelt werden, Lücken im Regelwerk müssen ständig beseitigt werden, bei Verstößen müssen Titel und Medaillen konsequent entzogen werden. Außerdem ist es dringend notwendig, Kinder und Jugendliche frühzeitig aufzuklären und sie für eine Antidoping-Haltung zu sensibilisieren.

Die Verlagerung der Zuständigkeit für Doping-Kontrollen weg von den Verbänden und hin zur Nada, bzw. Wada halte ich für richtig. Allerdings muss die Finanzierung des Antidoping-Kampfes sichergestellt werden.

 

Wie kann der weltweite Kampf gegen das Doping finanziert werden?

Jeder Betrag, der für den Antidopingkampf aufgewendet wird, schafft Lücken in anderen Bereichen. Am ehesten sehe ich noch das Internationale Olympische Komitee, das hier einen nennenswerten Betrag einbringen könnte; auch hier würde es wohl zu Lasten anderer Projekte, wie zum Beispiel der Entwicklungshilfe im Sportbereich gehen. Je kleiner die Sport-Organisationen und -Verbände sind, desto weniger Möglichkeiten haben sie einen finanziellen Beitrag zum Kampf gegen das Doping zu leisten.

 

Was muss getan werden, um Länder zu disziplinieren,die immer wieder auffällig werden oder gar nicht, bzw. unzureichend kontrollieren?

Sie können in diesen Ländern Tests durch Kontrolleure aus anderen Ländern durchführen lassen. Allerdings trifft das nur auf Staaten zu, in die eine freizügige Einreise möglich ist. Viel mehr ist nicht möglich.

Falls man einzelne Nationen von internationalen Veranstaltungen ausschließt, trifft das leider auch immer die Sportlerinnen und Sportler, die nicht gedopt haben. Eine Patentlösung für dieses Problem habe ich nicht.

 

In verschiedenen Presseartikeln zu Dopingthemen wurden Sie als sperriger und eher unfreundlicher Gesprächspartner bezeichnet.

Irgendwie verständlich. Wenn man als offizieller Vertreter einer Organisation zu brisanten Themen Stellung nimmt, muss man seine Worte abwägen und eine gewisse Distanz halten. Einzelne Pressevertreter versuchen diese Distanz durch mehr oder weniger geschickte Fragestellungen auszuhebeln, und da muss ich dann auf ebenso geschickte Weise reagieren. Ich habe Verständnis dafür, dass meine Antworten nicht immer jedem Pressevertreter gefallen haben.

 

Ich kann Ihnen versichern, dass ich Sie heute nicht als sperrigen und unfreundlichen Zeitgenossen kennengelernt habe. Vielen Dank für das Gespräch!

 

(Das Gespräch wurde am 13.12.2016 in Egelsbach geführt.)

 

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