Bundesweite Termine

05.01.2021
Grußwort

Steter Mahner für die Olympischen Kernwerte

05.01.2021
DOG

70 Jahre Deutsche Olympische Gesellschaft

17.11.2020
Neckaralb

Ehrung des Turngaus Zollern-Schalksburg

06.11.2020
Berlin

Mitgliederversammlung: DOG-Präsidium mit bekannten und neuen Namen

05.11.2020
Nachruf

Ehrenmitglied Hubert Hey verstorben

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Engelhard, Ruth

 

Persönliche Daten

 

Geboren als Ruth Becker

Geboren am: 03.01.1909

Geboren in: Berlin-Lichterfelde

Gestorben: 22.10.1975

Gestorben in: Darmstadt

 

Ehemann: Hermann Engelhard

Hochzeit: 12.05.1932 in Berlin-Zehlendorf

Kinder: Frank (1936 - 2015) und Bernd (geboren 1940)

Wohnorte:

Berlin (1927 - 1937)

Stuttgart (1937 - 1942)

Weil im Schönbuch (1942 - 1946)

Darmstadt (1946 - 1975)

 

Vereine als Aktive:

SC Brandenburg Berlin (bis 1932)

SV Siemens Berlin (1932 - 1938)

Veröffentlichung: Leichtathletik Fibel, Band 6. Eine Lehrbuchreihe des DLV, Erwin Huber: Der 110-und 200m Hürdenlauf, Ruth Engelhard: Der 80m Hürdenlauf für Frauen, Verlag für Sport und Leibessübungen Harry Bartels Verlag Berlin, 1952

 

>>> Ruth Engelhard: Erfolge, Rekorde und Bestleistungen

 

Sportliche Betätigung: Auch Frauensache!

 

Sport - Ausschließlich Männersache?

Mit dem Aufkommen der Turn- und Sportbewegung in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde zunächst einmal nur der männliche Teil der Bevölkerung angesprochen. Eine umfassende körperliche Betätigung sollte gesunde und kräftige Männer hervorbringen, die in jeder kriegerischen Auseinandersetzung „ihren Mann“ stehen würden. An sporttreibende Frauen dachte zu jener Zeit noch niemand.

Jede Art der körperlichen Betätigung störe die Anmut der Frau und ließe schlimme gesundheitliche Schäden erwarten, war die allgemeine (männliche) Ansicht. Dementsprechend wurde Frauen die Teilnahme an körperlich anstrengenden Übungen und Wettspielen verwehrt. Karl Ritter von Halt, ein deutscher Sportfunktionär und Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees, sprach in den 1920er Jahren aus, was wohl viele Gegner des Frauensports dachten: „Der Kampf gebührt dem Manne, der Natur des Weibes ist er wesensfremd. Darum weg mit den Damenleichtathletikmeisterschaften ...“

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahmen die ersten Frauen ihr Schicksal selbst in die Hand: Die ersten Frauen-Sportvereine wurden gegründet, es folgten erste Wettkämpfe und Meisterschaften. Da sich auch die Zulassung von Frauen zu den Olympischen Spielen nicht im Sinne der sporttreibenden Frauen entwickelte, wurden 1922 die ersten Olympischen Frauenspiele durchgeführt. Nach Intervention des Internationalen Olympischen Komitees musste diese Veranstaltung bei den Auflagen 1926, 1930 und 1934 als Frauen-Weltspiele angekündigt und durchgeführt werden.

Mädchen und Frauen, die sich in dieser Zeit zum öffentlichen Sporttreiben entschlossen, müssen als Pionierinnen des Frauensports bezeichnet werden.

>>> Historisches: Männersport und Frauen-Weltspiele

 

London, 11. August 1934: Weltrekord über 80 Meter Hürden

London sah 1934 die letzte Auflage der Frauen-Weltspiele. Mit am Start im Finale über die 80-Meter-Hürdenstrecke: Ruth Engelhard aus Berlin.

Über diese Rennen berichtete Der Leichathlet, das amtliche Organ des Deutschen Leichtathletik-Verbandes in seiner Ausgabe vom 14. August: „Der Endlauf wurde ein hoher Genuss. Die Bahnen waren so ver­teilt: Taylor - Engelhard - Atkins - Green – Clark - ­Webb. Ein Fehlstart, dann der gültige Start, gut geglückt. Ruth Engelhard übernahm sofort das Kommando und lief nun ein Rennen, das begeisternd schön war. Die Taylor, die Webb, die Clark, die Green, die Atkins, sie können gewiss alle die Hürden laufen, aber Ruth Engelhard war eine Klasse für sich. Mit großer Schnelligkeit zwischen den Hürden und ausgezeich­neter Eleganz über den Hürden gewann sie ihren Lauf so sicher, wie immer sie nur wollte und in einer so ausgezeich­neten Zeit, wie sie noch nie in der Welt zuvor gelaufen wor­den war. 11,6 Sekunden, Weltrekord! Wie waren wir glücklich!“

 

 

Weltrekordlauf 1934 in London: Ruth Engelhardt geht als Erste über die Hürde
Gold bei den Frauen-Weltspielen 1934 (1)
Gold bei den Frauen-Weltspielen 1934 (2)

Ruth Engelhard, geborene Becker, war auf ihrer Spezialstrecke in den Jahren 1929, 1933 und 1934 Deutsche Meisterin geworden. Darüber hinaus konnte sie in der 4 x 100-m-Staffel 1934 einen weiteren Deutschen Meistertitel verbuchen. Zwischen 1929 und 1934 stelle sie über die Hürden sechs deutsche Rekorde auf, zwei weitere nationale Rekorde in der Staffel kamen hinzu. Insgesamt startete Ruth Engelhard, teilweise noch unter ihrem Mädchennamen Becker, bei vier Länderkämpfen für deutsche Auswahl-Mannschaften.

 

 

Partner in der Ehe ...
... und im Sport

Heirat, Familie und das Dritte Reich

Ruth Engelhard absolvierte gerade ihr Studium zur Diplom-Sportlehrerin an der Hochschule für Leibesübungen in Berlin, als sie ihren Mitstudenten Hermann Engelhard kennenlernte. Am 12. Mai 1932 heiratete sie den Mittelstreckler aus Darmstadt, der bei den Olympischen Spielen 1928 in Amsterdam Silber und Bronze gewonnen hatte. Die gemeinsamen Söhne erblickten 1936 (Frank) und 1940 (Bernd) das Licht der Welt.

>>> zum Sport-Portrait Hermann Engelhard.

Ihr Sohn Bernd Engelhard blickt zurück: “Ich glaube zu wissen, dass besonders meine Mutter sehr gegen das Nazi-Regime eingestellt war. Das Foto von einer Siegerehrung, bei der sie gezwungenermaßen den damals üblichen Gruß entbieten musste, hat sie viele Jahre lang vor uns verborgen. Ich glaube, dass sie auf Grund ihrer Leistungen und auch wegen ihres Aussehens als Aushängeschild für das Regime hätte dienen sollen. Aber das wollte sie auf keinen Fall.“

Bernd Engelhard holt einen Zeitungsartikel aus den 1930er Jahren hervor, der die mögliche propagandistische Wirkung unterstreicht: „Wirf dein Herz erst hinüber“, prangt in großen Lettern über einem Foto, das die blonde Ruth Engelhard beim Überqueren einer Hürde zeigt. Dass der erste gemeinsame Sohn Frank im gleichen Jahr zur Welt kam, in dem auch die Olympischen Spiele in der Hauptstadt Berlin stattfanden, legt die Vermutung nahe, dass Ruth Engelhard einen Start bei dieser Veranstaltung unbedingt vermeiden wollte. Belegen lässt sich diese These indes nicht, auch wenn die Goldmedaille bei den Spielen 1936 für eine Siegerzeit von 11,7 Sekunden vergeben wurde. Bei ihrem Weltrekord 1934 hatte Ruth Engelhard die Ziellinie in nur 11,6 Sekunden passiert!

Dass sich die attraktive Weltrekordlerin durchaus als Sympathie- und Werbeträgerin eignete, lässt sich aus der Anzahl der Sammelbilder erkennen, auf denen Ruth Engelhard abgebildet war. Meist zeigen die Bilder Motive aus dem Laufgeschehen, allerdings ist sie mit einem Portrait-Foto auch in der Bilderserie „Moderne Schönheitsgalerie“ vertreten, in der ansonsten vornehmlich Stars aus Film, Musik und Bühne abgebildet waren.

>>> Ruth Engelhard auf Sammelbildern

 

 

Doch noch bei Olympia ...

Viele Jahre später war Ruth Engelhard dann doch ein Teil des olympischen Geschehens. 1952 betreute sie die deutschen Hürdensprinterinnen bei den Sommerspielen in Helsinki. Der Gewinn der Bronzemedaille durch Maria Sander, geborene Domagala, und der vierte Platz von Anneliese Seonbuchner waren der größte Erfolg in der Trainerkarriere von Ruth Engelhard. Von 1952 bis 1962 war sie dann als Frauenwartin des Landesverbandes Hessen aktiv.

An der Darmstädter Justus-Liebig-Schule gab Ruth Engelhard ihre in der Welt des Sports gesammelten Kenntnisse und Erfahrungen viele Jahre lang an die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums weiter. Auch ihr Mann Hermann unterrichtete von 1961 bis 1968 an der Lio, wie die Justus-Liebig-Schule in der Öffentlichkeit kurz genannt wird. Als dann 1967 auch noch ihr Sohn Bernd als Referendar an der Lio unterkam, war der Name Engelhard gleich dreifach im Lehrerkollegium der Schule vertreten. Das Darmstädter Echo widmete dem Lehrertrio 1967 einen umfangreichen Bericht und bezeichnete die Engelhards als „eine der bekanntesten Sportfamilien unserer Stadt.“

 

 

Quelle: Darmstädter Echo, Erscheinungsdatum unbekannt

Am 22. Oktober 1975 verstarb Ruth Engelhard. Sie wurde auf dem Darmstädter Waldfriedhof beigesetzt. Die Grabstätte ist heute nicht mehr vorhanden.

 

 

Das sportliche Erbe

Wie war es bei sportlich derart erfolgreichen Eltern um die sportliche Leistung der beiden Söhne bestellt?

„Meine Mutter hat versucht, die sportlichen Fähigkeiten von mir und meinem Bruder Frank zu fördern. Das haben wir beide zunächst ziemlich lustlos mitgemacht. Mein Bruder musste sich aus gesundheitlichen Gründen bei seinen sportlichen Aktivitäten allerdings bald zurückhalten,“ sagt Bernd Engelhard. „Von mir gibt es Bilder von einer Veranstaltung aus dem Jahr 1963, wo ich einen Wettbewerb eigentlich hätte gewinnen müssen, aber nur Dritter geworden bin. Auf einem Bild steht meine Mutter vor mir und macht mir massive Vorhaltungen, die ich wie ein begossener Pudel über mich ergehen lasse.“

Auch wenn es für Bernd Engelhard nicht zu Olympia-Medaillen oder Weltrekorden gereicht hat, über 400 Meter Hürden konnte er bei den Deutschen Meisterschaften immerhin einen vierten Platz belegen. Und mit der 4x400-Meter-Staffel des ASC Darmstadt gelang ihm sogar ein Titelgewinn bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften.

Bernd Engelhard: „Über 800 Meter bin ich schneller gelaufen als mein Vater bei den Olympischen Spielen, aber seine Bestzeit habe ich nie erreicht.“

Es sieht so aus, als habe die Ansprache der Mutter doch etwas bewirkt!

Die Gespräche mit Bernd Engelhard wurden im Januar 2017 geführt.
Dokumente und Fotos stammen aus dem Archiv der Familie Engelhard.
Die Verwendung der diesen Beitrag illustrierenden Dokumente ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Familie Engelhard zulässig.