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Nachruf
Ehrenmitglied Hubert Hey verstorben
Beierlein, Traudi (heute: Traudi Schulte)
Persönliche Daten
Geboren: 27. September 1941
Geburtsort: Graz / Österreich
Zwei Kinder: ein Sohn (*1966), eine Tochter (*1971) aus erster Ehe
Seit 1975 verheiratet in zweiter Ehe mit Gerhard Schulte
Internet: www.traudi-schulte.de
Wohnorte:
1941 - 1944 Graz
1944 - 1947 Vohenstrauß (Oberpfalz)
1947 - 1952 Amorbach
1952 - 1958 Kairo
1958 - 1976 Darmstadt
seit 1976 Mühltal
Traudi, Gertrud oder Waltraud?
Wenn ich im Internet unter deinem Mädchennamen „Traudi Beierlein“ suche, erhalte ich als ersten Treffer den Hinweis auf einen Wikipedia-Artikel, der dich als Gertrud „Traudi“ Beierlein vorstellt.
Traudi ist von meinem Vornamen Waltraud abgeleitet. Gertrud ist definitiv falsch; die Ableitung von Gertrud wäre ja wohl auch eher „Trudi“ gewesen.
Als Waltraud wirst du aber eher selten angeredet.
Man hat mich immer nur Traudi genannt. Einzige Ausnahme war mein Vater. Wenn er sehr streng war, was nur sehr, sehr selten vorkam, hat er Waltraud zu mir gesagt. In diesen Fällen wusste ich immer sofort, was die Uhr geschlagen hatte.
>>> Traudi Beierlein: Anpassungsprobleme und ein Wort von "Little" Klein
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>>> Traudi Beierlein: Künstlerisches Schaffen
Ägypten (1952 – 1958)
Als du 11 Jahre alt warst, bist du mit deiner Familie nach Kairo gezogen. Wie kam es zu diesem Umzug?
Der damalige ägyptische König Faruk hat viele ehemalige Offiziere als Berater und Ausbilder angeworben. Mein Vater war Offizier und als Pionier Experte im Behelfsbrückenbau. In Kairo gab es in den 1950er Jahren nur eine Brücke über den Nil, und am Suezkanal gab es überhaupt keine Brücke. Mein Vater hatte die Aufgabe, den Ägyptern beizubringen, wie man Pontonbrücken baut. Wir haben die meiste Zeit, so wie viele andere Europäer und Amerikaner, auf der Nil-Insel Zamalek gewohnt.
Wer gab den Impuls zu einem gezielten Schwimmtraining?
Eigentlich war ich völlig unsportlich. Zum Schwimmen bin ich eher aus Zufall in Ägypten gekommen. Wir waren dort Mitglied in einem Club. Das war kein Schwimmverein, sondern ein Club, in dem die Mitglieder neben dem Schwimmen auch viele andere Sportarten ausüben konnten. Ich habe mich im Wasser immer wohl gefühlt, Bewegung im Wasser war für mich etwas Vertrautes. Ich hatte aber erst 1950 schwimmen gelernt.
Unter all den anderen um mich herum, die im Kraulstil unterwegs waren, war ich eine der wenigen, die das Brustschwimmen beherrschte. Die damalige ägyptische Meisterin im Brustschwimmen regte mich an, bei einer Club-Gala mitzumachen. Bevor ich bei meinem allerersten Wettkampf mitmachen konnte, hat sie mir noch schnell gezeigt, wie ich mit einem Fußsprung ins Rennen starten konnte. An einen Kopfsprung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken.
Wie ging der Wettkampf aus?
Ich habe gleich einen Pokal gewonnen und dachte so für mich: „Mensch, Traudi, du bist ja doch sportlich!“. Das war schon bald nach unserer Ankunft in Ägypten. Da war ich elf Jahre alt.
Gibt es den Pokal noch?
Nein, ich habe ihn, wie die meisten anderen Pokale und Preise auch, schon vor langer Zeit entsorgt. Für die Auszeichnungen brauchte man schon bald einen eigenen Schrank und ich musste regelmäßig abstauben und polieren. Irgendwann habe ich mich dann leichten Herzens von vielen Dingen getrennt. Vermutlich ist noch die eine oder andere Trophäe vorhanden, aber ich wüßte im Augentlich gar nicht, wo ich danach suchen müsste.
Die Bedeutung derartiger Auszeichnungen verringert sich im Laufe der Zeit. Natürlich ist man zunächst stolz darauf, denn es zeigt ja, dass man gut geschwommen ist. Allmählich wurden diese Dinge für mich aber immer unwichtiger.
Ein Foto von meinem ersten Pokal müsste es aber noch geben. Meine Mutter hat damals alles akribisch dokumentiert, was mit meiner Schwimmkarriere zu tun hatte.
Du hast während dieserZeit zusammen mit den Männern der ägyptischen Nationalmannschaft trainiert. Wie muss man sich das vorstellen?
Das war ein tolles Erlebnis.Meine Mutter hatte von einem Verein gehört, in dem ein ungarischer Trainer besonders gute Arbeit leistete. Sie hat dann dort angefragt, ob dieser Trainer auch mich trainieren könnte. Obwohl er bisher nur Männer trainiert hatte, wollte er es einmal mit mir versuchen. Ich habe dann tatsächlich mit den Männern trainiert. Meine Mutter und ich fuhren dafür an mehreren Tagen in der Woche mehr als drei Stunden zu dem Verein in einem entfernten Stadtteil. Als wir aus Heliopolis nach Zamalek zogen, wurde es dann einfacher.
Wer war dieser Trainer?
Wir haben ihn immer Mr. Alex genannt. Er war ein großartiger Mann. Er war nicht mehr der Jüngste, ich habe mich aber sofort Hals über Kopf in ihn verliebt. Dieses jugendliche Verliebtsein war sicher auch dafür ausschlaggebend, dass ich im Schwimmbecken alles gegeben habe. Ich habe dann auch immer den Schwimmverein gewechselt, wenn Mr. Alex eine Trainerstelle in einem anderen Club angenommen hatte.
Mr. Alex ist bereits vor Jahrzehnten verstorben. Wenn ich heute an ihn denke, bubbert mein Herz aber immer noch. Er war einfach ein toller Mensch.
Und das hat sich auch tatsächlich auf die Leistung ausgewirkt?
Ich war ziemlich bald ägyptische Spitze. Das war zu jener Zeit aber nicht so schwierig, da es nicht besonders viele ägyptische Mädchen im Schwimmsport gab.
Wie waren deine Erfahrungen als junges Mädchen in einem islamischen Staat?
Ich habe da keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Ich erinnere mich allerdings an eine Zugfahrt nach Gaza, wo wir mit der Familie Urlaub machen wollten. Während der Zugfahrt spielte eine Gruppe von Männern Tavla, was bei uns als Backgammon bekannt ist. Ich habe dem Spiel eine Weile interessiert zugesehen. Die Männer haben mir schließlich die Spielregeln erklärt und mich sogar mitspielen lassen. Wie es damals Mode war bei uns Schwimmerinnen hatte auch ich kurze Haare, dazu trug ich Jeans und ein kariertes Hemd. Als wir dann in Gaza den Zug verließen, sagte einer der Männer zu meiner Mutter: „Oh, what a lovely boy!“. Meine Mutter hat sich für das Kompliment bedankt, aber nichts zur weiteren Klärung des Sachverhalts beigetragen.
Aufgrund meiner Frisur und Kleidung konnte man mich damals wirklich leicht für einen Jungen halten. Die Männer hätten sich ganz sicher anders verhalten, wenn ihnen von Anfang an klar gewesen wäre, dass sie ein Mädchen vor sich hatten. Denn Jungen wurden damals in Ägypten weitaus höher geachtet als Mädchen. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Während deiner Zeit in Ägypten hast du dich auch als Trainerin engagiert und mit dem weiblichen Nachwuchs gearbeitet. Fand das Training der Schwimmerinnen getrennt von den männlichen Schwimmern statt?
Nein, wir haben zusammen trainiert. Es war selbstverständlich, dass die Schwimmerinnen genau so wie in Europa im Badeanzug ins Becken gingen. Ägypten war damals westlich orientiert und ein sehr weltoffenes und fortschrittliches islamisches Land. In der letzten Zeit nehmen in diesem Land die islamischen Traditionen aber wieder einen weitaus höheren Stellenwert ein.
Während meiner Trainertätigkeit habe ich nur ein einziges Mal erlebt, dass ein älteres, körperlich sehr weit entwickeltes Mädchen auf Druck seiner Eltern mit dem Schwimmen aufhören musste.
Gab es Kontakte auch außerhalb des Schwimmbeckens?
Ja, unser Schwimm-Team war eine eingeschworene Gruppe. Wir haben sehr viel gemeinsam unternommen. Ich erinnere mich an eine Party bei den Pyramiden, wo wir in den Ruinen eines Tempels gefeiert haben, mit einem aufziehbaren Grammophon, unter einem sternenklaren Himmel.
Wir haben auch mal zusammen andere Sportarten ausprobiert. Tennis, Fechten und einiges mehr.
Das Gespräch mit Traudi Schulte wurde am 18. September 2017 geführt; Gesprächspartner: Rainer Paepcke.
Text: Nachdruck und jegliche Art der Vervielfältigung und Weiterverbreitung (auch auszugsweise) nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Deutschen Olympischen Gesellschaft, Zweigstelle Darmstadt.
Fotos: Die Fotos entstammen dem Privatarchiv von Traudi Schulte. Nachdruck und jegliche Art der Vervielfältigung und Weiterverbreitung nur mit ausdrücklicher Genehmigung von Traudi Schulte.