Eine globale Friedensdemonstration
Die Olympischen Spiele in Japan liefen störungsfrei ab; die Paralympics sind im Gange. Aber braucht es diese Spiele überhaupt noch angesichts der wachsenden kommerziellen Orientierung des Sports, seiner ungelösten Dopingprobleme, des gesundheitsriskierenden Höchstleistungswahns und der bedrohlichen Ansteckungsgefahr durch Corona? Außerdem sorgt das Internationale Olympische Komitee (IOC) unter dem Vorsitz von Thomas Bach seit Jahren mit wenig souveränem Führungsverhalten und fragwürdigen politischen Entscheidungen für vielfältige Kritik. Korrigierend zu der weit verbreiteten Meinung, das IOC hätte sich durch die Dollar-Milliarden Einnahmen erneut bereichert, darf widersprochen werden: Die Gelder flossen zur Unterstützung der Spiele in zahlreiche Projekte zurück.
Bietet Olympia überhaupt noch einen positiven Denkanstoß in heutiger Zeit? Zum Beispiel wenn wir uns erinnern, dass während der antiken Spiele ein „olympischer Friede“ herrschte. Alle Streitigkeiten wurden für die Dauer der Spiele unterbrochen. Politische Ideologien und Religionen waren ausgeschaltet. Welch ein leuchtendes, einmaliges Beispiel für die heutige Welt. Die Spiele der Neuzeit (seit1896) verlangen die Unterwerfung aller Sportler, Trainer, Funktionäre unter die Regeln des Olympischen Geistes. Diese besondere globale Friedensdemonstration dauert jeweils 17 Tage! Sind es nicht Elemente eines weltweiten Traums, wenn sich dieser „olympic spirit“ heute als UN-Gebot verordnen ließe? Machen wir uns klar, dass die olympische Übereinkunft das bestmögliche Ergebnis in Hinblick auf eine friedliebende Welt darstellt. Der altmodische Begriff der Völkerverständigung lebt auf und verlangt eine grenzenlose Verbrüderungsbereitschaft. Unter den 12.000 Olympioniken in Tokio verweigerte sich ein arabischer Ringer aus politischen Gründen gegen den ihm zugelosten israelischen Sportler anzutreten und wurde daraufhin sofort von den Spielen ausgeschlossen
Das Olympische Feuer ist noch zu schwach, um heutige Herzen für den Frieden erwärmen zu können. Bei der Abschlussfeier betonte Bach die Hoffnung als Motto für die nächsten Spiele 2024 in Paris. Sehr geschmackvoll waren deshalb zwischen den modernen musikalischen Zeugnissen japanischer Kultur französische Melodien, Bilder von Sehenswürdigkeiten in das Programm eingewebt. Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, übernahm die Olympische Flagge. Erstmals wurden auf so einer großen Bühne die internationalen Athletenvertreter vorgestellt, die künftig mehr Einfluss und Mitsprache der kämpfenden Olympioniken haben sollen. Ein Hauch Emanzipation zwischen Laserfantasien des Abschlussfestes.
Der kritische Zuschauer hätte sich gern mehr von der Mentalität der japanischen Menschen gewünscht, deren persönliche Bescheidenheit, Freundlichkeit und Disziplin uns da und dort als Vorbild hätte dienen können.
Walter Schwebel