Bundesweite Termine

05.01.2021
Grußwort

Steter Mahner für die Olympischen Kernwerte

05.01.2021
DOG

70 Jahre Deutsche Olympische Gesellschaft

17.11.2020
Neckaralb

Ehrung des Turngaus Zollern-Schalksburg

06.11.2020
Berlin

Mitgliederversammlung: DOG-Präsidium mit bekannten und neuen Namen

05.11.2020
Nachruf

Ehrenmitglied Hubert Hey verstorben

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Zwangssystem - Systemzwang

Evangelische Akademie in Frankfurt
Kirchenpräsident Dr. Dr. h.c. Volker Jung

Sportethisches Forum der EKD zur Dopingfrage

Evangelische Kirche und Engagement gegen Doping im Sport - wie geht das zusammen?
Seit dem 13. September lautet die Antwort: Sehr gut!

An diesem Tag hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie Frankfurt zu einem sportethischen Fachtag in die Räumlichkeiten der Akademie am Römerberg eingeladen. Angestrebt war ein interdisziplinärer Dialog zu grundlegenden Problemen an den Schnittstellen von "Kirche und Sport". Den Zielen entsprechend erwartete die Teilnehmer ein abwechslungsreiches Programm aus Kurzvorträgen, Foren und einer Podiumsdiskussion. Zu Wort kamen Vertreter aus allen Bereichen des Sport-Umfelds, die die Themenbereiche Doping / Anti-Doping aus ihrer persönlichen Sicht heraus vorstellten.

Dr. Dr. h.c. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eröffnete die Veranstaltung mit einleitenden Worten. Die Forderung nach einem ethisch sauberen Sport ohne den Einsatz von Dopingmitteln sei zwar schnell formuliert, so der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland. "Wer sich intensiv mit einem Thema beschäftigt, wird allerdings entdecken, dass jedes Thema komplex ist.", fügte der Kirchenpräsident dann aber hinzu.

Und genau diese Einschätzung wurde in den Beiträgen der Vortragenden deutlich.

 

Markus Hauptmann

Markus Hauptmann

Rechtsanwalt, unter anderem als Gründungsvorstand maßgeblich am Aufbau der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) beteiligt, der Konzeption des ersten NADA-Codes und der Gründung des deutschen DIS-Sportsschiedsgerichts.

- Doping ist kein sportliches, sondern ein sozial-gesellschaftliches Thema.
- Das jetzige Kontrollsystem ist nicht ausreichend, obwohl sich die NADA in den letzten Jahren stark verbessert hat.
- Die Kosten für Dopingkontrollen belaufen sich in Deutschland auf etwa 6,5 Millionen Euro pro Jahr (inklusive NADA).
- Zurzeit werden in Deutschland etwa 13.000 Kontrollen durchgeführt.
- 2015 - 2017 lag die Zahl der sanktionierten Verstöße bei 34, 33 und 24.
- Aufwand und Ergebnis der Dopingkontrollen stehen in einem unzureichenden Verhältnis.
- Insiderhinweisen stärker nachgehen, Whistleblower gewinnen.

 

Amélie Ebert

Amélie Ebert

Ehemaliges Mitglied in der Nationalmannschaft Synchronschwimmen, Mitglied in der Athletenkommission, Studentin der Humanmedizin.

- Bei den Kontrollen finden fundamentale Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Athleten statt.
- Eingriff in die Intimsphäre bei der Urinabgabe, Körperverletzung bei der Blutentnahme.
- Die Nutzung der elektronischen Systeme zum Meldeverfahren (ADAMS) ist problematisch (Angst vor Fehlern, Versäumnissen, Hackern).
- Die online-Nutzung dieser Systeme ist oft nicht zeitnah möglich (kein WLAN, keine Netz-Verfügbarkeit).
- Athletinnen und Athleten fordern ein weltweit gleichartiges Kontrollsystem.
- Regelmäßige und unabhängige Tests müssen die Zulassungsvoraussetzung für Weltmeisterschaften und Olympische Spiele sein.
- Eine hohe Wahrscheinlichkeit entdeckt zu werden, schreckt eher ab als drakonisch hohe Strafen.

 

Dr. Stefan Brink

Dr. Stefan Brink

Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg. 

- Das System ADAMS ist aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch, da hierüber Bewegungsprofile erstellt werden können.
- Für den Sportler ist nicht nachvollziehbar, was mit den Daten in ADAMS passiert.
- Die Ortung von Athleten mittels GPS wäre ein geringerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte als die bestehenden Regelungen zum Meldeverfahren.
- Die Sichtkontrolle bei der Urinabgabe ist in einem Rechtsstaat keine haltbare Position.
- Bei den Maßnahmen zur Dopingkontrolle liegt keine freiwillige Einwilligung der Athleten vor. Es besteht eine "Friss-oder-stirb-Situation". Im Grunde hat der Sportler keine Wahl.

 

Prof. Ines Geipel

Prof. Ines Geipel

Schriftstellerin und Professorin für Verskunst an der Hochschule für Schauspielkunst in Berlin. In den 1980er Jahren Mitglied der DDR-Leichtathletik-Nationalmannschaft. 2002 als Dopingopfer von der Bundesregierung anerkannt, 2006 Rückgabe ihres Staffelweltrekords. Seit 2013 Vorsitzende der Doping-Opfer-Hilfe.

- 1974 begann das staatliche Doping in der DDR; 15.000 Menschen waren betroffen.
- Die kriminelle Praxis wurde trotz des Wissens um körperliche und seelische Langzeitschäden intensiv weiter betrieben.
- 30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es immer noch riesige blinde Flecken.
- In der Datenbank der Doping-Opfer-Hilfe sind mehr als 500 Sportler erfasst, die im Doping-Prozess waren und mittlerweile verstorben sind.
- Heute sind es bereits rund 1.000 Personen, die auf Grund des Doping-Opfer-Hilfegesetzes entschädigt werden.

 

Prof. Dr. Fritz Sörgel

Prof. Dr. Fritz Sörgel

Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg. Studium der Pharmazie in Frankfurt/Main und Medizin in Erlangen.

- Ganz sicher wird in manchen Ländern mit Genmanipulation im Sport experimentiert; dabei werden auch körperliche Schäden und Todesfälle in Kauf genommen.
- Genmanipulation ist mit Menschenversuchen gleichzusetzen.
- Der Werbespot von Alpecin "Doping für die Haare" ist skandalös.
- Leistungssportler sind nicht normal; das wird nicht zuletzt durch das "Goldman-Dilemma" deutlich.

Goldmann-Dilemma:
Der Begriff basiert auf einer Studie des US-amerikanischen Arztes und Publizisten Bob Goldman. Gemäß einer Befragung waren demnach rund 50 % der Hochleistungssportler bereit, innerhalb von fünf Jahren zu sterben, wenn ihnen die Einnahme einer Droge den Gewinn einer olympischen Goldmedaille sichern würde. Goldman führte diese Studie erstmals 1982 durch und wiederholte sie im Abstand von jeweils zwei Jahren bis Mitte der 1990er Jahre. Die Ergebnisse waren immer ähnlich.

 

Dr. Frank-Martin Brunn

PD Dr. Frank-Martin Brunn

Wissenschaftlicher Geschäftsführer der Arbeitsstelle Kirche und Gemeinwesen am Fachbereich Evangelische Theologie in Hamburg. Mitglied im sportethischen Forum der EKD.

- Der Sport ist durchaus religiös aufgeladen.
- Der Sieg in einem großen sportlichen Wettkampf lässt den Sportler die Ewigkeit spüren ("One moment in time").
- Der Sport kann in Einzelfällen einen Totalanspruch auf das Leben erheben ("Sieg oder Untergang"!).
- Wenn davon auszugehen ist, dass in einer Sportart Dopingmittel eingesetzt werden, ist die Schwelle zu eigenem Doping gering.
- Nur ein Sport ist erstrebenswert, in dem die Werte (Achtung vor dem Leben, Gesundheit und Selbstbestimmung) wichtiger sind als die Funktionslogiken.

 

Prof. Dr. Otmar Weiß

Prof. Dr. Otmar Weiß

Leiter des Zentrums Sportwissenschaft und Universitätssport an der Universität Wien. 1989 Habilitation für Sportsoziologie. Forschung: Sport im Zusammenhang mit Identität, Gesellschaft, Gesundheit Wirtschaft und (Massen-)Kommunikation.

- Doping ist das Hauptproblem des modernen Sports.
- Doping geschieht im Verborgenen, daher ist das tatsächliche Ausmaß nicht bekannt.
- Die Bereitschaft zum Doping ist größer, wenn die Sportler davon ausgehen, dass auch die Konkurrenten dopen.
- Doping gab es auch schon in der Antike. Jeder Sportler hatte seine eigenen Rezepte und Mittel.
- Sport ist ein Abbild der Gesellschaft; Sport ist nicht besser oder schlechter als die Gesellschaft, in der er stattfindet.

 

Sylvia Schenk

Sylvia Schenk

Olympiateilnehmerin 1972 (800m-Lauf), Rechtsanwältin in Frankfurt am Main und ehrenamtlich Sprecherin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency International Deutschland. Aktuell gehört sie dem Vorstand der Deutschen Olympischen Akademie, dem Beirat für Integrität und Unternehmensverantwortung der Daimler AG und dem INTERPOL Standing Committee in Ethical Matters an.

- Je kompetativer das Umfeld, desto größer die Gefahr des Betrugs.
- Null-Toleranz fängt in der Hierarchie ganz oben an.
- Alle fordern saubere Athleten; die Forderung nach einem sauberen Umfeld ist aber mindestens genau so wichtig und muss stärker herausgestellt werden.
- 60 - 70% der bekannten Doping-Vergehen werden durch Hinweise aufgedeckt.
- Die Anti-Doping-Regeln müssen nicht nur bekannt sein, sondern auch verstanden und eingehalten werden.

 

Dr. Lars Mortsiefer

Dr. Lars Mortsiefer

Chefjustitiar und Vorstandsmitglied der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschland (NADA). Promotion zum Thema "Datenschutz im Anti-Doping-Kampf". Dozent zum Thema "Sportrecht" an den Universitäten Köln und Gießen.

- Wir gehen dem Anspruch der Athleten nach, ein flächendeckendes Kontrollsystem aufzubauen.
- Die verfügbaren Gelder für den Anti-Doping-Kampf werden auch für umfangreiche Forschung ausgegeben.
- Dopende Sportler werden durch Profitgier und Ruhmsucht angetrieben.
- Wir sollten den sauberen Athleten in den Mittelpunkt stellen.
- Wenn jemand von klein auf Werte verinnerlicht hat, werden diese Werte auch in seinem späteren Leben manifest sein. ("Gebt mir andere Mütter und andere Väter, und ich gebe euch eine andere Welt!").
- Die Themen Prävention und Aufklärung werden zunehmend an Bedeutung gewinnen.
- Die Zusammenarbeit mit Whistleblowern kann der richtige Weg sein, um unsere Arbeit in Zukunft zu unterstützen.

 

Fazit

Die vorstehende Auswahl an Feststellungen, Vorschlägen und Einschätzungen der Referenten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie bestätigt aber überdeutlich die einleitende Einschätzung des Kirchenpräsidenten Jung: Der Kampf gegen Doping im Sport ist ein überaus komplexes Thema.

Einen Königsweg gibt es nicht. Neben einem umfassenden Kontrollsystem kommt Prävention und Aufklärung eine besondere Bedeutung zu.

In unserem Land werden heute immense Anstrengungen für einen Sport ohne Doping unternommen. In zu vielen anderen Staaten ist das Kontrollnetz überaus löchrig oder nur im Ansatz vorhanden. Ein weltweit vergleichbarer Standard im Anti-Doping-Kampf ist Utopie. Umso wichtiger, dass bei Olympischen Spielen, Welt- und Kontinentalmeisterschaften zukünftig nur noch Sportlerinnen und Sportler zugelassen werden, die im Vorfeld dieser Veranstaltungen über einen längeren Zeitraum von neutralen Instanzen getestet wurden.

Der Sport ist einer der wenigen Bereiche in unserer Gesellschaft, in denen die persönliche Leistung öffentlich und transparent wird. Das macht den Sport zu etwas Besonderem. Integrität, Fair Play und Chancengleichheit sind wesentliche Bestandteile im sportlichen Wettbewerb. Sich für diese Ziele und somit auch für einen sauberen Sport ohne Doping einzusetzen, sollte für jeden Sportinteressierten höchste Priorität haben.

Rainer Paepcke